Doch zurück zum Anfang: Die zweite FlyART Woche in Marokko plante ich als Hike&Fly Tour, zunächst auf den Jbel Toubkal. Doch nach einem kräftigen Erdbeben in dieser Region im Sommer 2023 kam der Mgoun als Ersatzziel in meinen Fokus. Jetzt waren wir nur noch zu dritt und bergsteigerisch erfahren und konditionsmässig stark, so hoffte ich. Von Agadir fuhren wir an Marrakesch vorbei in den Osten des Hohen Atlas
In einem einsamen Tal mit vielen ursprünglichen, malerischen und nachhaltig errichteten Berberdörfern (Lehmbauten) fuhren wir Richtung Ait Bouguemez. Hier verließen wir die „Hauptstraße“, um den Weiler Arrouss, dem Ausgangspunkt unserer Bergtour, zu erreichen. Die Fahrt dauerte deutlich länger als geplant, so brauchten wir für die letzten 80 km auf der einspurig asphaltierten, sehr kurvigen und mit vielen Schlaglöchern versehenen Bergstraße ca. 2,5 Stunden. Also beeilten wir uns, um unser Abendziel, das Tulipe d´ Ikiss, eine Unterkunft auf ca. 2300 m, noch bei Helligkeit zu erreichen. Unsere Rucksäcke mit Schirm und Hüttenausrüstung sind schwerer als gehofft, doch leichter als befürchtet. So kamen wir erst in der Dämmerung zur „Tulpenhütte“ und wir standen vor verschlossenen Türen. Puuuh… hat die Reservierung nicht geklappt?? Sch… Doch nach wenigen Minuten erschien ein Einheimischer. Aber ohne Schlüssel für die Hütte. Dann dauerte es noch ein wenig, bis auch der Wirt eintraf, uns innen Licht machte, die einfachen, aber sauberen Zimmer zeigte und in der Küche das Kochen anfing. Wir waren die einzigen Gäste! Kaum eine Stunde später stand vor uns ein feines marokkanisches Essen mit Suppe und Tajine, dem marokkanischen Nationalgericht. Auch am nächsten Morgen überraschte uns der Wirt mit dem besten Omelett der Woche! So gestärkt starten wir zum Pass Tiz'n Tarkddite mit ca. 3450 m und der Hoffnung von dort zum Refuge de Tarkddit fliegen zu können.
Gute dornenfreie und felsfrei Plätze zum Starten zu finden, ist schon schwierig genug in dieser hochalpinen, steinigen, felsigen Landschaft und dann soll zu guter Letzt auch noch der Wind passen. Wir hatten den vorhergesagten Nordwind an einem Südhang… Leethermik also vom Feinsten und am Start Wind aus allen Richtungen. Mit unseren doch schweren Rücksäcken und dem kurzen Startbereich sowie felsigen Startlauf war uns das potentielle Flugvergnügen zu riskant. Also trugen wir unsere Säcke vom Pass hinunter zur Hütte "Refuge de Tarkddite". Hier wurden wir mit Minztee und Keksen empfangen. Unser Hüttenwirt und Koch spricht bestens die Sprache der Berber, ein Großteil der Marokkaner gehört diesem Volksstamm an, aber sonst fast keine andere Sprache. Andreas, des arabischen und französischen mächtig, schaffte es trotzdem, die Essenszeiten zu vereinbaren. So wollten wir am nächsten Morgen um 3 Uhr frühstücken, was auch bestens klappte und dann mit leichten Schirmgepäck den Mgoun angehen. Aktuelle Wetterberichte gibts hier nicht. Wir sind offline. Ich kam mir vor, wie zu Beginn meiner Fliegerkarriere, da waren die Wetterinfos auch nur schemenhaft, verglichen mit den heutige, inhaltlich prallen Wetterberichten.
Um 4 Uhr brachen wir im Stockfinsteren, der Mond ist bereits untergegangen, auf.
Den Bergpfad in dem fremden Gelände und bei Dunkelheit fanden wir mithilfe von open street map, das nur mit GPS und offline funktioniert. Vorher mußte die richtigen Karten herunter geladen sein. Auch sollte der Akku vollständig aufgeladen sein. Ohne diese modernen Hilfsmittel hätte man früher einen Guide engagiert, der einen sicher auf den Berg gebracht hätte. Unsere Hirnbirnen (Stirnlampen) leuchteten so gut, das wir selten vom Weg abkamen. So gingen wir ca. 1000 Höhenmeter hinauf, bis wir den ca. 2 km langen Gipfelgrat erreichten. Jetzt dämmert es und wir sahen ringsum im Flachen noch hell erleuchtet Dörfer und Städte von Quarzazate bis Marrakesch. Ich spürte während des gesamten Aufstiegs abfließende, kalte Luft, normal für diese frühe Zeit. Am Grat drehte der Wind auf „Talwind“, aber es war der vorhergesagte Nordwind auf 4000 m. Während unserer Wanderung zum Gipfel des Mgoun legte der Wind so richtig zu. Wir schätzten ihn auf 60 - 80 km/h.
Am Gipfel auf 4071 m verweilten wir nur kurz, ich machte ein paar Bilder vom Startplatz direkt am Gipfel. Hier kann man bei besseren Bedingungen fein nach Nordwest und flacher auch nach Südost abheben und dann zum Refuge oder Ikiss abfliegen. Wir wählten jedoch den Fußabstieg, leider, es wäre so schön, jetzt hier durch diese grandiosen Landschaft zu segeln. Der Hohe Atlas ist ein altes Gebirge mit einer großzügigen Gestaltung. Die ehemals schroffen Felsen verwitterten im Verlauf der Zeit und bilden jetzt eher sanftere Formen aus, die zum Gleitschirmstarten einladen. So kontrastieren kleine Schneefelder den dunklen verwitterten und erodierenden Fels. Unsere Skiwanderstöcke, nur an den Schlaufen festgehalten, wurden vom Wind in einen 45 Grad Winkel gedrückt. Hier jetzt zu fliegen wäre Selbstmord. Also den Traum vom Fliegen beiseite schiebend, gingen wir den langen Weg zur Hütte zurück. Am Refuge Tarkddite blies auf 3000 m auch ein stürmischer Wind.
Um es kurz zu machen: die nächsten beiden Tage verbrachten wir mit ausgedehnten Wanderungen, mal mit und mal ohne Schirm. Aber auch nachts stürmt es kräftig um die Hütte herum, so dass ich manchmal davon aufwache. Einen Tag erforschten wir ein riesiges, tiefes "Loch“, das von Wasser ausgespült wurde und in einer Schlucht für uns endete.
Lediglich ein Rückwärtsaufzieh - Training können wir nachmittags machen.
Nur aus der Hand lassen wir unsere Pi's von Advance in die Luft. So hoch hatte ich bis dato noch nicht das Vergnügen… Die Gurtzeuge blieben am Boden, die Boen waren so unberechenbar und immer noch gefährlich stark. Auf 3000 m sowie offline sollten wir unbeschadet im Tal ankommen.
Drei Nächte hatten wir die Refuge de Tarkddite, die exklusiv für uns geöffnet hatte, reserviert. Die waren jetzt Vergangenheit. Wir hingen hoffnungsvoll noch einen 4. Tag an. Aber auch unser vorletzter Tag war verblasen! An dem letzten Tag mussten wir absteigen/fliegen. Unser Freund, der Wind war eingeschlafen! Aber jetzt das gesamte Gepäck auf den Gipfel zerren und 100 % sicher konnten wir nicht sein, ob wir fliegen können. Sollten wir nicht fliegen können, würden wir am nächsten Tag nicht rechtzeitig in Agadir zum Rückflug der Teilnehmer sein. Also traten wir den Rückweg an über den Pass Tizn Takddit in Richtung unseres Autos. Oben am Pass gibt es eine kleine Startfläche in Nordrichtung und als ich dort ankam, passte der Wind. Das war von den eingangs genannten drei Flugmöglichkeiten, die dritte. Doch bis die Schirme ausgelegt und alle Vorbereitungen abgeschlossen waren, und das dauert wegen des zusätzlichen Gepäcks länger als gewohnt, schlief der Wind ein und der jetzt notwendige längere Laufweg ist mit Steinen und Felsen übersät. Also stiegen wir 200 Höhenmeter weiter ab. Dort hatte ich mir beim Aufstieg einen gut startbaren Bereich gemerkt. Jetzt - ist es wirklich wahr? - der Wind kam schwach, aber genau von vorne. "Hoffentlich bleibt er so!!", dachte ich. Wir machten das Umpack- und Startvorbereitungsprocedere erneut. Und welch ein Glück, wir kamen doch noch zu einem Flug.
So starteten meine beiden Begleiter hoch konzentriert und sicher ins Tal. Entlang einer südlich ausgerichteten Felswand sollte es doch tragen, aber leider war die Vorfreude größer. Zu schnell flogen wir an der Wand vorbei, lediglich bei 2 kleinen Rippen hatten wir kurze Heber. Hier keimte etwas Hoffnung auf einen längeren Flug auf. Doch zu guter Letzt flogen wir 900 Höhenmeter zu der landwirtschaftlichen Fläche von Ikiss, landeten bei leichten Gegenwind ein und freuten uns ausgiebig über diesen gelungenen Abschluss.
Fazit
- Wir hatten alle gesund und munter das Abenteuer gemeistert. (immer Prio 1)
- Wind und Wetter waren so wie sie waren, wir machten des Beste daraus.
- Einige Tage ohne Internet zu sein, ist sehr erholsam, leider leidet die Wettereinschätzung darunter.
- Orientierung im fremden Gelände ist offline mit open street maps wirklich perfekt.
- nur konditionsstarke und trittsichere Piloten können diese Tour gefahrlos bestehen.
- Mit der im ersten Bericht erhofften Nachhaltigkeit war es dann doch nicht so weit her. Durch die Stornierung der Reise meines Begleiters auf der Fahrt war ich lediglich 20 % günstiger unterwegs als mit dem Flugzeug.
- Wir hatten eine super Zeit am Mgoun, die landschaftlichen Eindrücke haben die geringe Flugausbeute wett gemacht.
--> Dank an Advance für die leichten Pi's!!
- Noch besser vorbereitet, planen wir in 11/2025 einen erneuten Versuch, auf dem Mgoun zu starten!!
Marokko für Fortgeschrittene oder ?; 1. Teil.
FlyART im Dez. 2023 Bilder FlyART, Klaus und Andreas
- Wind und Wetter waren so wie sie waren, wir machten des Beste daraus.
- Einige Tage ohne Internet zu sein, ist sehr erholsam, leider leidet die Wettereinschätzung darunter.
- Orientierung im fremden Gelände ist offline mit open street maps wirklich perfekt.
- nur konditionsstarke und trittsichere Piloten können diese Tour gefahrlos bestehen.
- Mit der im ersten Bericht erhofften Nachhaltigkeit war es dann doch nicht so weit her. Durch die Stornierung der Reise meines Begleiters auf der Fahrt war ich lediglich 20 % günstiger unterwegs als mit dem Flugzeug.
- Wir hatten eine super Zeit am Mgoun, die landschaftlichen Eindrücke haben die geringe Flugausbeute wett gemacht.
--> Dank an Advance für die leichten Pi's!!
- Noch besser vorbereitet, planen wir in 11/2025 einen erneuten Versuch, auf dem Mgoun zu starten!!