von Klaus Schwarzer, FLugschule FlyART

Nachhaltiges Reisen

 Wasserstart

Wasserstart

Wasserstart

Die zentrale Idee zu der Reise nach Marokko, möglichst geringe Umweltbelastungen durch die Fahrt zu verursachen, wollte ich mit dem doppelt besetzten VW Flugschulbus erreichen*. Dann sollten es auch 2 unterschiedliche Flugwochen von FlyART geben, so dass die lange Anfahrt in einem sinnvollen Verhältnis zu der Zeit in Marokko steht. In der ersten Wochen planen wir, südlich von Agadir an der Küste zu fliegen. Danach geht es in der zweiten Woche auf den höchsten Berg Marokkos und Nordafrikas als Hike & Fly Tour. Wir wollen den Jbel Toubkal, immerhin über 4.100m hoch, besteigen und falls möglich auch von oben starten.


Die Vorbereitung:

Der lange T5 Flugschulbus wird mit einer Heckauszugsküche ausgestattet. Damit kann er 6 Personen transportieren und ist auf der Hin- und Rückfahrt als einfacher Camper zu nutzen.

Die Reise auf der FlyART Homepage auszuloben, ist tägliches Geschäft. Reiseorganisation ist heutzutage wesentlich leichter als vor ca. 30 Jahren. Als Fluglehrer reiste ich damals bereits etliche Male im Süden von Marokko, um dort viele Piloten der ersten Stunde beim Fliegen in der wild-schönen Landschaft zu betreuen. Das Gelände und die Fluggebiete bleiben bestehen, doch die Ansprüche der Teilnehmer ändern sich. Just 2 Monate vor der geplanten Tour bebte die Erde im Hohen Atlas, einige Ortschaften und größere Gebiete sind jetzt nur mehr schwer erreichbar. Und mittendrin liegt der Toubkal. Nach dem Ausfall dieses Zieles erreichte eine Nachricht eines Teilnehmer der h&f Tour, die Reiseleitung, das der Mǵoun, zweithöchster Berg Marokkos, immerhin auch über 4000m hoch, ein gutes Ersatzziel sei. Jetzt heißt es, die h&f Tour am östlichen Rand des Hohen Atlas neu zu planen. Das Gelände scheint wesentlich gleitschirmfreundlicher zu sein, wie das ursprüngliche Ziel. Laut online Karte und diversen Berichten könnten bis zu drei verschiedene Flüge möglich sein!! Auch steht auf 3000m eine bewirtete Hütte, die unseren Übernachtungsanfrage positiv beantwortet.

Die Reise

Zwei Wochen nahm ich mir Zeit für die Fahrt, um meine Mitreisenden pünktlich in Agadir zu empfangen. So fuhr ich durch die Pyrenäen mit Andorra und Ager als bekanntes Fluggebiet. Dort sah ich etliche Piloten am späten Nachmittag fliegen. Das hätte mir nach der langen Fahrt auch gut getan, doch der letzte Shuttle fuhr vor meiner Nase los. Die nächsten Tage waren mit viel Wind und auch noch aus der falschen Richtung vorhergesagt. In einigen weiteren Fluggebieten erging es mir ähnlich. Lediglich bei Martin von Caboactivo konnte ich meinen Test Pi3 19 an einem kleinen Hang Probe fliegen. Und eine unvergessliche MTB Tour fuhr ich an der dortigen Südostküste Spaniens bei Sturm. So musste ich einmal im Flachen gegen den extrem starken Wind das Radl schieben!! Dann ging es weiter in Richtung Gibraltar. Bei einem Stopp in dem bekannten La Herradura an der Südküste sah ich keinen Piloten in der Luft. Mittlerweile sind Strandlandung in Spanien verboten.


 Anfahrt

Anfahrt

Anfahrt

 Küste Cabo de Gata

Küste Cabo de Gata

Küste Cabo de Gata

 Algeciraz mit Gibraltar

Algeciraz mit Gibraltar

Algeciraz mit Gibraltar

 Nid d Aigle

Nid d Aigle

Nid d Aigle


Der Grenzübertritt nach Marokko war abenteuerlich, so wurde mein Bus nach allen Regeln der Kunst gefilzt, Hunde suchten Drogen oder ähnliches. Die Gleitschirme interessierten die Grenzer nicht. Nach ca. einer Stunde konnte ich dann weiter in den Süden fahren. Gute Autobahnen ließen die erstaunlich grüne Landschaft Nordmarokkos an mir vorbei ziehen. Um Rabat und Casablanca verdichtete sich der Verkehr. Mein Navi, auf energiesparende Route eingestellt, führte mich über eine Route National, vergleichbar mit einer deutschen Bundesstraße.

Und Achtung marokkanische Verhältnisse: So kam mir bei Dunkelheit auf einer 4 spurigen Route mit hohen Mittelstreifen ein Mopedfahrer auf meiner Fahrbahn entgegen, fast nicht zu erkennen in den Lichtern des dichten Gegenverkehrs. .. Im letzten Moment konnte ich ihm ausweichen…

In Agadir holte ich die Teilnehmer der ausgeschriebenen Flugwochen im Süden Marokkos ab.
 Wasserstart

Wasserstart

Wasserstart

 Nordstart

Nordstart

Nordstart

 Abflug Andreas

Abflug Andreas

Abflug Andreas

 zusammlegen

zusammlegen

zusammlegen


Im Nid d’Aigle wohnen wir in sehr angenehmer Atmosphäre mit Infinity Pool und Startplatz direkt davor! Hier besprachen wir eingangs die Besonderheiten des Soarens, das wir in unseren Alpenfluggebieten eher selten praktizieren. Die Flugregeln sowie die möglichen Überhöhungen als auch Toplandungen waren einige der Themen. Auch der Ausbildungsstand anderer Nationalitäten wurde kritisch erwähnt. Aus meinen früheren Reisen ging ich von vielen Starkwindflügen aus. Doch heute am ersten Flugtag mussten wir sehr lange warten, bis sich überhaupt startbare Bedingungen einstellten. Auf dem großen nördlichen Startplatz beim Nid d’Aigle lässt sich auch bei wenig Wind der Schirm bestens aufziehen, kontrollieren und gesittet abheben. So gestaltete sich das Einfliegen der Teilnehmer absolut problemlos und vorbildlich. Einen Haken hatte der schwache Wind allerdings: Mein Flugschulbus musste seine übliche Tätigkeit aufnehmen und die gelandeten Piloten wieder zum Startplatz befördern. Hier gibt’s zur Stärkung den guten Minztee mit wahnsinnig viel Zucker oder auch einen feinen Café au lait. Der Spätnachmittagsflug endete oft am nahen Atlantik und wurde dann von einem Bad gekrönt. Saukalt ist der Atlantik, aber an den heißen Tagen, die wir im November hatten, sehr angenehm. Der kalte Atlantik führt überraschenderweise auch zu Nebelbildung über dem Wasser, der Nebel reicht manchmal auch über die Küste bis zu unserem Hang.

Die Wetterprognosen liessen in den nächsten Tagen ähnliche schwachwindige Flugbedingungen erwarten. So machten wir vormittags „Urlaub“ mit einem Besuch des Souks in Tiznit, bekannt für seine Silbersachen, ruhten am Infinity pool. Auch unternahmen wir fliegerische Ausflüge, z. B. zu einem auch mir neuen Fluggebiet bei Bounaamane, ca 75 km von unserem „Adlernest“ entfernt.
 Startplatz Bounaamane

Startplatz Bounaamane

Startplatz Bounaamane

 Bounaamane Start

Bounaamane Start

Bounaamane Start

 Bounaamane Start Werner

Bounaamane Start Werner

Bounaamane Start Werner

Der Geheimtipp, von einem anderen Piloten empfohlen, schien auch ein solcher zu sein, war er doch schwer zu finden. Google kannte den neuen Weg dorthin nicht (wir landeten am Wegende mitten in einem kleinen Dorf), aber mein open street map leitete uns souverän nach oben. Nach 200m Fußweg standen wir an einer kleinen, steinigen, aber dornenfreien Stelle. Mit Wind hier zu starten, sollte einfach sein. Doch kaum waren wir einige Minuten hier, kam der erste Pulk Franzosen an, später noch etliche Engländer… soviel zum Geheimtipp. An diesem neu entdeckten, nördlich ausgerichteten Gelände gelangen uns die längsten Flüge der Woche. Über der großen vorgelagerten Ebene stiegen an markanten Stellen (z. B. Friedhöfen) große Thermiken bis in überraschende Höhen auf; und wir mit ihnen. So flog Andreas weit über eine Stunde in der schönen, weichen Thermik.

Das Felsentor von Legzira, schon früher ein beeindruckender Flugspot, war auch heuer einen Ausflug wert.
 Tooor von Legzira

Tooor von Legzira

Tooor von Legzira

 Legzira Start

Legzira Start

Legzira Start

 Legzira Flug

Legzira Flug

Legzira Flug

 Frischer Fisch Legzira

Frischer Fisch Legzira

Frischer Fisch Legzira


Eine kleine Wanderung am Strand führte uns direkt unter das riesig, natürliche Tor und war gleichzeitig eine Besichtigung des langen Landeplatzes (Strand, bitte nicht bei Flut landen, da wird's eng, nass und damit gefährlich!). Überraschung bei der Auffahrt: Den vormals Allradfahrzeugen vorbehaltenen Bergstartplatz erreichten wir heute bequem auf einer frisch geteerten Straße! Auf dem einfachen N-NW Startplatz erleichterte ein leichter Gegenwind die Starts der Gruppe. Mit Andreas, dem ersten Gelandeten, ging ich in ein kleines Restaurant am Strand und bestellte frischen, aber gegrillten Fisch. Eine Delikatesse nach dem anstrengenden Flug in dem kleinen landschaftlich reizvollen Fluggebiet...

Ein Schmankerl beobachteten wir am letzten Abend noch im Nid d’Aigle. Bei Sonnenuntergang und dicken Nebel über der Küste machte sich bei leichten Rückenwind ein junger Marokkaner bereit zum Start. Wir dachten??? Doch der Junge beherrschte seinen Schirm, zog ihn gegen die übliche Startrichtung auf, lief zunächst aufwärts, steuerte den Schirm dann um 180 Grad zum Tal hin und rannte Richtung Nebel. Er hatte seinen Spaß, während ca. 100 Zuschauer ihm applaudierten.
 doppelt rückwärts

doppelt rückwärts

doppelt rückwärts

 rückwärts

rückwärts

rückwärts

 rückwärts Abflug

rückwärts Abflug

rückwärts Abflug

 Kunst am Bau

Kunst am Bau

Kunst am Bau


So endete diese erste Flugwoche bei besten Wetter, wenig Wind und tollen Temperaturen zwischen 25 und 35 Grad Celsius, während es zuhause regnete und auch schon schneite. Wir konnten jeden Tag fliegen, wenn auch nicht immer die erhofften langen Flüge oder Strecken, hatten dadurch Land und Leute intensiver kennenlernen können. So gesehen doch eine tolle Woche, die nach Widerholung schreit (geplant 11/2025)
*(711 kg Co2 gegen 1,7 T Co2 mit dem Flugzeug, je Person, siehe Co2 Rechner von Quarks: https://www.quarks.de/umwelt/klimawandel/co2-rechner-fuer-auto-flugzeug-und-co/


Info Marokko:

Marokko – eine der ältesten Monarchien der Welt. Die Dynastie des aktuellen Königs Mohammed VI führt das Land seit 1640. 37,5 Mio. Einwohner leben auf 446.550 km². Die arabischen Umbrüche 2011 hatte der König mit einer Verfassungsreform beantwortet. Seitdem ist Tamazight als Sprache der Berber ebenfalls offizielle Sprache neben dem Arabischen. Auf unseren Fahrten sehen wir aber häufig, dass die Straßenschilder in der Berberschrift „Tifinagh“ schwarz übersprüht wurden – nicht alle scheinen die neue, zusätzliche Schrift zu mögen.

Mit dem „neuen Entwicklungsmodell“ hat der König 2021 eine klare Richtung zur Entwicklung seines Landes bis 2035 vorgegeben. Dabei sollen Bildung, wirtschaftliche Teilhabe von Frauen und ein signifikanter Anteil von erneuerbaren Energien am Gesamtverbrauch eine besondere Rolle spielen.

Schon heute ist der nordmarokkanische Hafen Tanger-Med mit seiner Industriezone ein Magnet für europanahe Produktion. Die Fahrt im Hochgeschwindigkeitszug für die 220 Km von Tanger in die Hauptstadt Rabat dauert nur 1:20h. Weitere Verbindungen sollen bis zur Fußballweltmeisterschaft 2030 gebaut werden, die Marokko, Portugal und Spanien gemeinsam ausrichten werden.

Auf der anderen Seite stehen weiter große Bildungsdefizite auf dem Lande und eine Analphabetenrate von 25%. (Das bekommen wir in den Bergen auch selbst zu spüren: Die Verständigung mit unserem jungen Hüttenwirt auf 3000m war sowohl auf Französisch als auch auf Arabisch nur in einzelnen Worten möglich.) Auch der Klimawandel trifft Marokko hart: im sechsten Dürrejahr in Folge sind die Stauseen nur noch zu 25% gefüllt, auch Elisabeth Ume, die Managerin vom Nid d’Aigle berichtet, dass sie tagsüber schon Wasser abschaltet. Kurz hinter Agadir sehen wir selbst den fast leeren Stausee. 40% der Bevölkerung arbeiten in der Landwirtschaft – viele von ihnen suchen jetzt ihr Heil in den Städten.

Toll ist die Fahrt über die kurvigen Straßen in den Hohen Atlas hinein. Die alten Berberdörfer, gebaut aus Lehm, schmiegen sich in Erdfarben an die Berge, umgeben von jahrhundertelang gepflegten Terrassenkulturen. Hier wird Regen – und Schmelzwasser von Stufe zu Stufe geführt. Vom Landeanflug vom Tarkddite – Pass aus bleibt die magische Szenerie zwischen den mächtigen Viertausendern mit den unermüdlichen Menschen in Erinnerung, die in immer wiederkehrender Kulturarbeit dieser Erde Nahrung und Lebensunterhalt abtrotzen. Vom Gipfel des Mgoun sehen wir andererseits die umweltorientierten Fortschritte des Landes: ein Solarturmkraftwerk in der Nähe von Quarzazate.
Text: Andreas
--> weiter geht der Bericht und die Reise mit Mgoun 4071; 2. Teil

FlyART im Dez. 2023