Fliegen und Kultur im Libanon

 Svens Abendstart

Svens Abendstart

Svens Abendstart

Der Libanon trumpft mit Geschichte, Kultur und tollen Flügen. Für den bei uns thermikarmen und fast nicht fliegbaren November ist der Libanon eine super Alternative. Ein Reisebericht von der ersten geführten FlyART – Libanon Tour im November 2010; Copyright by Klaus Schwarzer.

Kontrollstellen des Militärs sind im Libanon nichts besonderes, ähnlich wie Ampeln bei uns.Doch hier im Chouf Gebirge, kurz vor unserm geplanten Start unterhalb einer Antenne, wollen sie es genauer wissen.

Wir planten, vom Gipfel des Chouf Gebirges zu fliegen und unsere Flüge sind in Beirut beim militärischen Headquarter angemeldet. Doch der Posten weiß von nichts. Also Telefonate in allen Richtungen. Der Vorgesetzte des Postens weiß natürlich auch von nichts, Also ist Raja, unser Guide wieder im Spiel und lässt seine Beziehungen spielen. Jetzt mischt auch noch die „Intelligence“ mit, also einer der libanesische Geheimdienste. (Die Israelis hören sicher alles mit!) Weitere hektische Telefonate, bis der Vorgesetzte des Postens von oben die Erlaubnis erhält, uns hier fliegen zu lassen. Und es soll der beste Flug unserer einwöchigen Reise in die Levante werden. Doch von vorne:

Die aktuelle Kultur des Landes ist so breit gefächert, wie ich sie auf meinen Reisen auf so engen Raum noch nicht erlebt habe. So leben von den ca. 20 Mio. Libanesen nur 4 Mio. im eigenen Land. Diese teilen sich auf in Christen/Maroniten, Drusen und Moslime (Schiiten,/Sunniten) und bewohnen ihre eigenen Gebiete. Nur in Beirut treffen sich alle Volksgruppen, noch angereichert mit geflohenen Armeniern. Erschwerend kommen die Palästinenser hinzu, die immer noch in Lagern ein ärmliches Leben fristen. Das ist nur eine grobe Beschreibung der heutigen Bevölkerung des so geschichtsträchtigen Landes.

 alte Fische

alte Fische

alte Fische

Das älteste, was wir zu sehen bekamen, waren versteinerte Fische, ca. 100 Mio. Jahre alt, gefunden im Libanesischen Gebirge ca. 800 m über dem Mittelmeer. In der Nähe verewigten sich Ägypter, Phönizier, Griechen, Römer, aber auch Napoleon III, Briten und Franzosen an der Trennung von Orient und Okzident, einer Engstelle am Meer, durch die alle Heere auf ihrem Weg hindurch mussten.

Zurück in die Neuzeit: Gastfreundschaft und Verantwortung für Gäste ist immer noch ein hohes Gut im arabischen Bereich. So lud uns Raja, unser fliegender und fahrender Guide, für eine Woche zu sich am ersten Abend ein. Seine Frau zauberte ein hervorragendes libanesisches Essen auf den Tisch. Als Spezialität gilt der Petersiliensalat, nebst Auberginenpaste, klein geschnittenes Gemüse zum Dippen in hervorragenden, würzigen Saucen. Verhungern ist also nicht angesagt in der kommenden Woche.

Nach einem Frühstück im November im Freien starten wir zu einer Rundtour. Faraya, ein bekanntes libanesisches Ski- und Fluggebiet ist unser erstes Ziel. Auf ca. 2.500m bleibt Raja stehen, höher geht es nicht mehr. Doch starker Seitenwind verhindert unseren ersten Flug hier.

Folgen der Kriege

Folgen der Kriege

Folgen der Kriege

Kurze Besichtigung der Umgebung… und hier war ich doch schon mal mit meinen Skitourenski… das aber ist eine andere Geschichte, .. Schäden von israelischen Bomben und Achtung „Minenfeld“ lassen die Vergangenheit aufblitzen. Lassa, ein weiterer Startplatz in der Nähe, lassen wir aus und besichtigen nur den Landeplatz, um später hier landen zu können. Dabei berühren wir kurz die Bekaa Ebene.

Geografisch teil sich das Land in einen schmalen Küstenstreifen, dann folgt das Gebirge Libanon, höchster Punkt 3084 m. (!). Nach Osten hin fällt der lange Gebirgszug dann in die Bekaa Ebene ab, die sehr fruchtbar ist. Auf ca. 1000m zieht sich diese Fläche parallel zur Küste bis nach Israel hin. Im Osten schließt sich dann der Antilibanon an, auch ein Gebirgsrücken, dessen bekanntester Punkt der Berg Hermon oder die Golan Höhen sind. Syrien im Norden und Osten sowie Israel im Süden sind die Nachbarn des kleinen Landes.

Auf schmalen Straßen fahren wir zurück zur Küste und finden den Startplatz Ghosta bei besten Bedingungen vor.Also Schirme raus und ab in die Luft. Und die trägt uns auch noch im November richtig gut.Wir fliegen das Küstengebirge ab und landen dann zufrieden direkt am Meer. Warm ist es hier, ca. 30 Grad, ungewohnt für uns Nordländer. Ein zweiter Start ruft und wir sind gleich wieder am Start. Doch jetzt verbirgt sich die Sonne hinter einer dünnen Wolkenschicht. Sie spiegelt sich doppelt im Mittelmer. Eine Sonnenuntergangsstimmung am Nachmittag. Also wieder ab in die Luft mit den mitreisenden Piloten; ich zücke die Kamera und kann gar nicht genug Bilder machen. Was für ein traumhaftes Erlebnis. Aber der Tag bietet noch ein weiteres „Zuckerl“

In einem großen Lokal essen wir zu Abend, Wir werden draußen mit Böllern empfangen! Es findet hier zur gleichen Zeit eine christlich maronitische Hochzeit statt, die wir begeistern beobachten. Nach 2 erlebnisreichen Stunden fallen uns die Augen zu und wir zufrieden ins Bett.

Nach einem Frühstück im Freien nehmen wir unsere Sachen mit und fahren in den Norden Libanons. Der erste Halt gilt Byblos [جبيل,] (griech. Βύβλος, assyrisch Gubla, Altägyptisch „Kupna“ (Kpn) , arabisch ‏جبيل‎ Dschubail) eine antike phönizische Hafenstadt. Erste Funde bezeugen eine Siedlung ab dem 5. Jahrtausend v. Chr. Es war die wichtigste Hafenstadt im Levante. Gehandelt wurde u.a. mit Zedernholz und Papyrus. Es entstand eine neue Silbenschrift, die leicht auf Papyrus zu schreiben war. Das alles kann man in einem sehenswerten Museumsbereich anschauen. Nach dem ausführlichen Kulturteil ist es hier auch Pflicht, sich sehr alte Versteinerungen von Fischen anzuschauen. Ein flinker Händler und Gleitschirmflieger hat ein Geschäft mit den Funden aus dem Libanon. In Eichstätt, dem Wohnort von Roland, war er eine Woche vor unserem Besuch bei ihm. Alle großen Naturzeitschriften haben bereit über seine alten Fische berichtet. Sie sind erstaunlich gut zu erkennen in ihrem Stein.

Unsere Fahrt führt uns durch Tripoli, der zweit größten Stadt Libanons mit dem zweitgrößten Verkehrschaos.

 Flo und Sven

Flo und Sven

Flo und Sven

Wir wollen nach Miziara, um dort neben dem „Jumbo“ zu fliegen. Nach einer kurzen Landeplatzbesichtigung geht es schnell zum Startplatz hinauf und wirklich: das steht er, der Jumbo. Direkt daneben begrüßen und fünf einheimische Flieger, u.a. auch Saida, den ich vor 2 Jahren schon kennen lernen durfte. Er toplandet bei unserem Erscheinen mit einem Intermediate Nova Schirm und kaum sind alle deutschen Piloten in der Luft und nachdem ich mich auch fertig gemacht habe, startet er mit dem neuen Delta. Cayenne 3 gegen Delta, denke ich mir und saufe erst mal gewaltig ab. Dann aber hilft mir ein Raubvogel bei der Thermiksuche. Zusammen kommen wir wieder über dem Startplatz an, wo der Einheimische mit unendlich vielen Flügen in diesem Gebiet in der Luft auf mich wartet. Er setzt sich 40 m. über mich. Zusammen erfliegen wir ca. 500 m Startüberhöhung heraus. Dann winkt mein Begleiter und wir fliegen gemeinsam nach Norden zum nächsten Berg. Doch hier will nichts tragen, so dass wir in einem großen Bogen zurückkehren. Der Aufwind hat nachgelassen und es gelingt uns nur noch den Landeplatz zu erreichen. Statt einem weiteren Flug bei schwachen Bedingungen entschließen wir uns, Miziara Lebwohl zu sagen.

 Fruchtbaum

Fruchtbaum

Fruchtbaum

Wadi Qadischa, ein in alten Zeiten nicht einzunehmendes Tal, beherbergt bis heute viele Maronitische Christen und deren Klöster. Wir beginnen eine Wanderung am Ende einer abenteuerlichen Straße. Ein Pfad führt uns die Steilhänge entlang. Tolle Aussichten ins Tal und auf die gegenüberliegende Seite. Dort fand man vor kurzem in Felsverstecken christliche Leichen, wohl ehemalige Einwohner, die vor den Osmanen geflohen waren und dann in ihrem Felsversteck verhungerten. Wir wandern in die Dämmerung hinein und erreichen in der ersten Dunkelheit unser heutiges Ziel, ein maronitisches Kloster. Ein leckeres Abendessen beendet den Tag.

Wir fahren in der Früh des nächsten Tages weiter bergauf. Oberhalb des Wadi Qadischas findet sich ein Zedernwäldchen mit den ältesten Bäumen, die z. T. schon vor dem Beginn unserer Zeitrechnung groß wurden. Sie gehören der Katholischen Kirche, um nicht im Zwist der aktuellen Lage geopfert zu werden. Neben Andenken verkaufen die Händler hier auch kleine lebendige Zedern, eine davon erwartet jetzt eine große Zukunft in Holzkirchen. Jetzt geht es aber weiter hinaus zum Startplatz oberhalb des Zedernwäldchens, wo wir drei verschiedene Startplätze vorfinden. Doch sind alle drei mit Rückenwind versehen, so dass der Flug über die „Zedern“ ausfallen muss. Doch auf der anderen Passseite können wir Fliegen, hier passt der Wind.

 Strassenstart

Strassenstart

Strassenstart

Also angehalten, den Wind gecheckt und die Schirme raus! Wir starten direkt von der Straße aus, bei uns undenkbar, hier bei dem geringen Verkehr Null Problem. Am großzügigen Hang können wir uns etwas halten, doch auch über dem flachen Bereich stehen einige Thermikbärte. Doch wegfliegen ist nicht angesagt: Einige Bereiche der Bekaa Ebene sind Hisbollah dominiert und da sollte man nicht unbedingt landen. Also erreichen wir die Erde wieder an dem ausgemachten Landeplatz neben einem kleinen Dorf. Sven, thermikunerfahrener Motorflieger, hat hier seinen bis dato längsten thermischen Flug! Gratulation!

Auf dem Rückweg passieren wir wieder Tripoli, jetzt haben wir Zeit, uns den arabisch geprägten Ort näher anzuschauen. Im Basar großes Gewusel und viele Frauen mit Schleier, aber viele junge Gesichter ohne. Eine historische Karawanserei wird jetzt als Seifensiederein und zum Verkauf genutzt. Früher wurden hier Waren aus Asien gehandelt und nach Europa verschifft. Da man nie genau wusste, wann die Karawanen eintrafen, hatten die Händler hier auch Übernachtungsmöglichkeiten.

Nach Einbruch der Dunkelheit schließen alle Läden. Wir besuchten dann noch ein Fischlokal mit frischem Fisch. Gut hat er geschmeckt, besonders mit der Knoblauchsauce! Der authentische Höhepunkt des Tages aber kam erst beim Cafe nach dem Fisch. In einer fast unbeleuchteten Seitengasse kennt Raja einen Schuppen, in den wir Europäer nie hineingegangen wären. In einem Wandregal stehen einige Aguils, Wasserpfeifen. Der Café wird hier noch traditionell auf Holzkohle gekocht und nicht wie bei uns im Automat! Und er schmeckt richtig gut. Nur auf den Satz musst du aufpassen, der sollte in der Tasse bleiben!

Die Rückfahrt ist ungewohnt gemächlich: Seit drei Tagen werden Geschwindigkeitsbegrenzungen auch überwacht. Die Polizei hat einige Laserpistolen angeschafft und nach drei Tagen bereits beachtliche 3000 Tickets ausgestellt.

Früh am nächsten Morgen starten wir unsere Reise in die Bekaa Ebene. Unser Ziel ist Baalbek, eine alte römische Tempelanlage mit wirklich riesigen bestens erhaltenen Säulen, sowie tonnwnschwere Grundsteine.

 gewaltige Steine!

gewaltige Steine!

gewaltige Steine!

Baalbek (arabisch ‏بعلبك‎ Baʿlbak) ist eine Provinzhauptstadt mit zirka 80.000 Einwohnern, ein wichtiges Zentrum der Bekaa-Ebene. Die Stadt geht auf die römische Colonia Heliopolis (nicht zu verwechseln mit Heliopolis in Ägypten) zurück, die 15 v. Chr. gegründet wurde. Hier stehen die imposanten Ruinen der großen Tempelanlagen von Baalbek mit dem größten bislang bekannten Einzeltempel des Römischen Reichs. Sie gehören seit 1984 zum Weltkulturerbe der UNESCO. Das also ist Pflicht sich anzuschauen. Wir staunen nicht schlecht bei Steinen mit ca. 1000 Tonnen Gewicht, die als Fundamentsteine für die Tempel hergestellt und hierhin transportiert wurden. 40.000 Sklaven waren hier tätig, ernährt von der sehr fruchtbaren Bekaa Ebene. Nach einem kurzen Sightseeing in Baalbek selber fahren wir wieder zurück Richtung Libanon Gebirge. Neben der Passstraße liegt das Fluggebiet Hamana. Der Wind steht an und `schwubs` sind alle in der Luft. Der Abend klingt dann beim „Chef“, einem urigen typischen libanesischen Restaurant in der Innenstadt Beiruts aus.

 Drusen und Waffen

Drusen und Waffen

Drusen und Waffen

Der nächste Morgen beginnt wieder mit schönstem Sonnenschein. Unser Plan: durch Beirut südlich ins Chouf Gebirge. Hier hatten die Emire des Libanon ihre Residenz. Am bekanntesten ist der Palast von Bashir Shihab II in Beiteddine aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das Chouf Gebirge ist das drusisch, christliche Kernland des Libanons. Es fällt auf, dass die Drusen sehr naturverbunden sind, es stehen noch viele Wälder und die Landschaft ist im Herbst auch noch grün. Vorfahren von Walid Dschumblad, dem aktuellen Drusenführer, verbrachten einige Zeit mit dem indischen Mahatma Gandhi. Und lernten so, die Natur zu achten.

 Starthilfe

Starthilfe

Starthilfe

Nach einer kurzen Besichtigung des Emir Palastes fahren wir an einem größeren Zedernwald vorbei zum Gipfel und Startplatz Maasser el Chouf. Aber: so einfach ist nicht immer alles im Libanon. Unsere Flüge wurden bisher immer von Raja beim Militär angemeldet und es hat immer alles bestens geklappt, so das uns diese Problematik nie aufgefallen ist. Jetzt, an einer letzten Straßenkontrolle, wollen uns die Posten nicht zum Fliegen lassen. Das eingangs beschriebene Palaver beginnt. Letztendlich hat uns ein Druse, der für die Energieversorgung eines Funkmastes verantwortlich ist, auf einen Tee eingeladen. So überbrücken wir die Wartezeit, bis wir fliegen dürfen. Und was hatten wir alle für tolle, lange thermische Flüge über dem Chouf Gebirge!

Als erster startete Roland mit dem Kommentar: „Wenn ich als ersten in der Luft bin, saufe ich eh ab“, aber welch ein Irrtum. Er flog von uns am längsten. Raja stand mit dem traditionell gekleideten Drusen bis zu meinem Start mit dem Telefon in der Hand am Start.'/images/flyart/reisen/libanon 1110/5tag/l63 Blick nach Syrien und Isreal.jpg' nicht gefunden. „Fliegt ja nicht nach Süden, Richtung Israel“, die Militärs haben uns die gesamte Zeit beobachtet und unsere große Höhengewinne nicht vermutet. Doch es lief alles sehr gut. Nach langen Flügen landeten wir auf der Landewiese. Was für ein toller Flug! Wir sehen aus der Luft den Berg Hermon, auch Golan Höhen genannt, Syrien und Israel. Wer kann das von sich behaupten. Nach diesem letzten tollen Flug in dem nahöstlichen Land bereiten wir uns mit einem köstlichen Abendessen auf unseren Rückflug nach Deutschland vor. Doch vorher besprechen wir die nächste Reise in den Nahen Osten: Wir werden einen Abstecher nach Palmyra einplanen und etwas länger hier bleiben.

Weitere Bilder findest du unter Bilder Libanon 2010