Prolog "Alles wird gut."
Eines Tage flattert eine Einladung nach Jordanien auf den Schreibtisch des viel beschäftigten Flugschulleiters. Im Oktober ist eine Woche zum fliegerischen Erkunden des mir unbekannten Landes vorgesehen. Ein Tag Vorbereitung - langt das? Aber mehr Zeit lässt der Flugschulbetrieb nicht. Also stehe ich bei der Ausreise vor der Zollkontrolle und stelle - o grausiger Schreck - fest, dass ich ein Passbild mit langen blonden Haaren in meinem Ausweis habe. Selbst hat der Autor kurze rotblonde Haare. Was machen? Ich versinke im Boden. Doch dann kommt die Erleuchtung: ich rufe die Dame mit besagten Haaren an und bitte schnellstmöglich um Austausch des Dokuments, der dann zum Glück auch 10 Minuten vor Abflug geschieht. Jetzt steht den erwarteten Erlebnissen nichts mehr im Wege!
So dachte ich.. Doch im Flieger war ich allen Stewards/und innen ein "Hindernis", da ich gerne in Gang stand, anstatt ordentlich auf meinem Platz zu sitzen. Dann klappte der Landeanflug nicht so recht, wir starten in Amman durch und landeten nach eine schönen zweiten Linksvolte dann doch noch sicher auf dem richtigen Airport. Das Gepäck kam brav aus dem Bauch des Fliegers, doch die Behörden fanden "17 Flugzeuge" dann doch zuviel für ihr Land. Also ließen wir nachts um 1.00 Uhr genervt unsere wertvolle Ausrüstung am Flugplatz in einer Kammer zurück mit der Hoffnung, alles am nächsten Morgen wohlbehalten zurückzubekommen. So geschah es dann auch nach ca. 2 Stunden Warterei. Jetzt kann das Abenteuer beginnen!!
Jordanien - Kultur und Superflüge!
Mit dem Bus geht es von Amman aus in den Süden des kleinen Landes. Wir fahren nach Petra, einer antiken Stätte aus dem 4. vorchristlichen Jahrhundert. Nach dem etwas unglücklichen Beginn der Reise steht uns der Sinn jetzt nach Fliegen. Spät kommen wir zu einem Fluggelände, westlich ausgerichtet, und in der Abendsonne machen wir noch eine schönen ersten Flug. Einfach sind die Startbedingungen an diesem Berg nicht, ärgert uns doch regelmäßiger Seitenwind und einige verdorrte Disteln am Boden. Mit Björn, unserem Geländespezialisten, suche ich einen besseren Startplatz, das gelingt nicht ganz, dafür haben wir aber einen etwas längeren Flug an einer ausgedehnten Rich. Startüberhöhung und ein längeres Soaren belohnen aber unsere zusätzlichen Bemühungen. Bei Sonnenuntergang stehen alle wohlbehalten am Landeplatz, die ersten Bilder sind gemacht, die Zufriedenheit steigt. Abends bei einem vorzüglichen Essen im örtlichen Mövenpick Hotel werden die Flugmöglichkeiten in diesem Land noch etwas skeptisch bewertet.
Morgens um 7 Uhr beginnt die Besichtigungstour von Petra. Bitte keine falschen Gedanke: Petra entstand vor ca. 2500 Jahren. Erbaut wurde es von vor Trockenheit aus Saudi-Arabien flüchtenden Nomaden, die sich in dem geschützten Tal niederließen und Karawanen auf den nahen Königsstrasse zunächst überfielen und ausraubten, dann später etwas humaner nur noch Tribut kassierten. Der unerwartete Reichtum wurde in Petra in ein schönes richtig großes Schatzhaus investiert. Das Gebäude wurde komplett aus dem Sandstein herausgehauen. Drei Stockwerke hoch.. eine wirklich beachtliche Leistung in der damaligen Zeit. Zudem grub jede Familien ihre Verstorbenen in einer Grabhöhle ein. Dabei kommen tolle Muster in den Sandablagerungen zu Tage.
Die Anlage begrüßt uns mit einem kleinen fliegerischen Spektakel: Ein Modellhelikopter fliegt das schmale Tal entlang. Eine Kamera filmt die spektakuläre Landschaft bis zum Treasury. Wir besichtigen alles und hören Mohammed, unserem sachkundigen Guide gerne zu. Zwischenzeitlich knattert ein motorisierter Gleitschirm über uns herum. Das erinnert uns an den eigentliche Zweck der Reise. Die Erkundung neuer Flugmöglichkeiten bei Petra steht auf dem Programm. Wir fahren die um liegenden Hügel von Petra ab und die Experten finden einen Hang über eine Aussichtsstrasse am besten. Also das Equipment auf eine Jeep umgeladen und hoch zur Kante geht es. Ca. 150 Höhenmeter über vielen Landemöglichkeiten starten wir unsere Schirm bei besten Soaringwind. Schnell ist die Kante überhöht und der Blick wandert in das zuvor besichtigte Tal. Die kilometerlange Gebirgskante wird erkundet, topgelandet, wir fliegen uns so richtig aus. Am Abend kommt die Idee auf, über Petra zu fliegen und in Petra zu landen. Gesagt.. getan.Wir soaren die lange Rich ab, fliegen am Ende mit relativ wenig Höhe über das Tal, sehen das tief eingeschnittene Tal in Richtung Schatzkammer. 100 m vom Hotel entfernt landen wir auf eine offiziellen Heli-Landeplatz. Ein First Class Flugtag neigt sich dem Ende zu. Nach einem first class Abendessen sitzen wir zum Ausklang des Tages in der Grave Bar, eine zum Restaurant umgebauten Grabhöhle. Diese Lokalität gehört zu den "In" Kneipen des Nahen Ostens, wie uns Andreas, Deutsche Botschaftsangehöriger in Amman und Bagdad versichert.Superflüge im Wadi Rum!
Weiter in den Süden zieht es uns. Am nächsten Morgen fahren weiter Richtung Aqaba. Hier erwartet uns eine sagenhafte Wüstenlandschaft. Wir steigen in alte, klapprige Toyota Jeeps um. Die Beduinen bringen uns weiter ins Zentrum zu einmaligen Wüstenlandschaften. Aus rötlichen Sand steigen senkrechte Wände in den Himmel, fast wie in den Dolomiten. Hier wollen wir fliegen! Der Motorschirm folgt uns am Himmel. Björn, der zuverlässige Geländespezialist schickt uns auf einen 150m hohen Sandberg. Ausreichend "Treibstoff" nebst Gleitschirmausrüstung schleppen wir nach oben. Auf steilsten Weg erreichen wir den Gipfel. Windumtost! Leider ist oben doch zuviel Wind, aber einige Meter tiefer findet sich ein alternativer Startplatz . Hier wollen wir es wagen. Der Sandfels wird mit großen Matten abgedeckt, doch die Aussicht, vom Wind über die harte sandige Oberfläche gezogen zu werden, lässt viele Piloten abwarten. In Verlauf nimmt der Wind ab und alle kommen zu einem Flugerlebnis der besonderen Art. Langes Soaren vor dem Berg über der fantastische Wüstenlandschaft belohnt die Ausharrenden. Auch Andreas, frisch gebackener A-Schein Pilot soart eine gute Viertelstunde und genießt die tolle Aussicht. Kaum gelandet, laden uns die Beduinenfahrer zu einem improvisierten Barbecue ein. Abends im Luxuswüstencamp mit Dusche wird über die Flugmöglichkeiten im Wadi Rum weiter philosophiert.Der nächste Morgen beginnt mit Motorengebrumm. Knut startet seinen Boliden, um sich alles von oben anzuschauen. Die "Motorlosen" fahren zu einer Düne, die sich optisch als sehr schön darstellt, fliegerisch sollten hier später am Tag nur noch Profi fliegen. Und heiß wird´s. Am Nachmittag steht eine andere Düne, angelehnt an einen Gebirgszug auf dem Programm. Doch oh Schreck, sie ist eingezäunt. Der König will hier in Zukunft einen Palast in den Sand setzten. Doch einige Kilometer weiter findet sich eine ca. 50 m. hohe Düne.
Nach einigen Rückwärtsaufziehübungen ist der Erste in der Luft. Meine Schritte nach oben beschleunigen sich trotz des weichen Sandes... Schirm rausgeholt, Gurtzeug anlegen und Helm aufsetzten ist fast eines. Den Schirm im gleichmäßigen Wind zum Start vorbereiten dauert nur Sekunden. Ungeduldig ob des erwarteten Erlebnisses ziehe ich den Schirm über mich, umgedreht und ab in die Luft! Doch bevor es nach oben geht, muss ich um meine Höhe bangen. Schon habe ich einige Meter verloren, die Füße streifen über den Sand, doch dann frischt der Wind wieder auf und ich mache die ersehnte Höhe.Zuerst den Startplatz überhöhen, dann an den benachbarten Fels. Vor diesen langgezogenen Felsen geht es dann erst richtig aufwärts. Mit Björn, der kurz nach mir gestartet ist, verbringe ich einige Zeit in der Luft. Wir fliegen die langgezogene Felsrippe entlang, sind auf Grathöhe und haben eine fantastischen Ausblick in die vorgelagerte weite Ebene. Der Flug soll noch die doppelte Höhe des Grates erreichen. Ein sagenhaftes Erlebnis, das bis zum Sonnenuntergang dauern wird. Weitere Piloten besuchen uns dann auf unserem luftigen Aussichtspunkt. Ich fliege Ende Oktober in Jordanien übrigens im T-Shirt und dünnen Hosen. Es ist hier oben so richtig angenehm, zum Wohlfühlen, kein Ruckler ist in der laminaren Luft zu spüren. Ein Genussflug vom Feinsten!!Bis zum Sonnenuntergang hält mich der sanfte Luftstrom weit über der Grete und lässt mich einen unvergesslichen Wüsten-Sonnenuntergang erleben.
Am nächsten Tag verlassen wir Wadi Rum. Es geht zurück nach Norden. Wir riskieren einen Blick ins Wadi Muzhib, einem "Zufluss" ins Jordantal. Wäre auch was zum Fliegen, hat aber viel Wind. Weiter geht es dann nach Amman.
Die letzte Sehenswürdigkeit liegt 400 m unter dem Meeresspiegel. Wir tauchen nicht, sondern fahren wie bisher mit dem Bus 400 m unter den Meeresspiegel. Das Tote Meer empfängt uns mit Sonnenschein und richtig warmen Temperaturen. Durch eine Hotelanlage kommen wir zum Wasser. Was jeder weis, aber nicht glaubt, das Wasser trägt jeden ohne jegliche Schwimmbewegung. Sogar das Zeitungslesen auf dem Wasser ist wirklich einfach.
Jordanien ist eine Reise wert, nicht nur um fantastische Flüge zu erleben, sondern auch weit in die Geschichte der Menschheit vorzudringen, Landschaft und Kultur zu genießen. Wir kommen wieder, so Gott will, Inshallah.copyright by Klaus Schwarzer, FlyART, im November 2003;
Dank an die Photographen Thomas, Knut, Stefan und Jean Pierre!
PS. Die Sicherheit in Jordanien, immer wieder ein Diskussionspunkt, erschien uns unproblematisch. Polizei war auf den Straßen nicht zu sehen, doch die Geheimpolizei hat wohl alles fest im Griff. (Siehe 17 Flugzeuge). Jordanien liegt sicherlich in einer unruhigen Zone, doch dem Regime des Königs Abdullah II gelingt es, die unterschiedlichen Interessen der Nachbarn auszugleichen. Wir fühlten uns sicher und wohl!